Joseph H. Pilates
Wer war Pilates?
Joseph H. Pilates war ein Macher – er hat getan, was er tun musste und sich so einen gesunden, fitten Körper und damit einhergehend einen zufriedenen Geist geformt. Das hört sich gut an? Millionen Menschen fanden das auch und tun es bis heute!
J. H. Pilates wurde 1883 in der Nähe von Düsseldorf geboren. Man sagt ihm nach, er war als Kind krank und schwach: Er soll unter chronischem Asthma, Rachitis, rheumatischem Fieber und Tuberkulose gelitten haben.
Als Jugendlicher hat er Bodybuilding, Boxen, Gymnastik, Ski fahren, Schwimmen, Fechten aber auch Tai Chi und Yoga gemacht und hatte so mit 14 Jahren schon einen athletischen Körper und konnte seine Schwächen besiegen, was – wie ich finde – sehr beeindruckend ist! Er arbeitete als Brauerei-Gehilfe in Mönchengladbach und später als Boxer und Selbstverteidigungstrainer in England. In der Internierung während des 1. WK begann er mit Bettfedern zu experimentieren – so entstanden die ersten Ideen für seine Trainingsgeräte, die er später entwickeln sollte. Er kehrte nach Deutschland zurück und betrieb eine Boxschule. Er begann mit dem Bau der Pilates Geräte: „Ich erfand all diese Maschinen. Das begann damals in Deutschland. Da war ich bis 1925 und trainierte rheumatische Patienten. Ich dachte mir, warum soll ich meine Kraft nutzen? Also baute ich eine Maschine, die das für mich machte.“ Er trainierte Selbstverteidigung bei der Hamburger Polizei und machte Personal Training. Er lies seine ersten Trainingsgeräte patentieren den „Foot Corrector“ in Deutschland und den „Universal Reformer“ in den USA.
Als er 1926 in die USA auswanderte lernte er seine Lebensgefährtin Clara kennen. Mit ihr und Max Schmeling gründete er um 1926 das allererste Pilates Studio im Hause des New Yorker City Ballet am Broadway. Tänzer und Tänzerinnen des New York City Ballet begannen das außergewöhnliche Trainingskonzept zu lieben, woraufhin immer mehr Schauspieler, Künstler und berühmte Menschen davon angezogen wurden, die für ihren Beruf und nach Verletzungen fit werden wollten. Seine Schüler sollten drei mal wöchentlich trainieren.
J. H. Pilates veröffentlichte „Your Health“ 1934 und „Return to Life through Contrology“ 1945 mit William J. Miller, wo die Grundlagen der heutigen Pilates Übungen als Fotosequenzen dargestellt wurden.
Pilates selbst liebte dicke Zigarren, Bier, Whiskey und Frauen, dennoch pflegte er einen sehr gesunden Lebensstil mit viel Bewegung an der frischen Luft, Sonnenlicht auf der Haut, Abhärtung im Winter durch kalte Duschen und Bürstmassagen und selbstverständlich sein Training. 1935 wurde er eingebürgert und nannte dort seinen Beruf als „Director of physical culture“, später seine Frau Clara als „Assistant Director of physical culture“
Einen Artikel, der im Februar 1962 in der Sports Illustrated erschien: „Joe Pilates – Lernen, ein Tier zu sein.“ (Übersetzung aus dem Englischen von Reiner Grootenhuis) kannst du ganz unten am Ende meines Beitrages lesen.
In den 1940er Jahren hat er im jeden Sommer in der „Jacob´s Pillow University of the Dance“ unterrichtet. Es lag ihm immer sehr am Herzen, seine Teilnehmer bestmöglich zu unterstützen, er lies dafür Kreativität und Leidenschaft walten. Seine Geräte wie z.B. „Magic Circle“ und „Neck Stretcher“ werden heute z.T. noch verwendet. Den „Posture & Poise Apparatus“ kann man in diesem eindrucksvollen Video in Aktion sehen:
Sein zweites Pilates Studio hat unser guter Mann 1965 in einem New Yorker Kaufhaus eröffnet.
Die Studios wurden später von Clara und bei Joseph J. Pilates selbst Ausgebildeten Trainer weitergeführt. Joseph und Clara Pilates waren wohl geduldig und einfühlsam, er war jedoch auch sehr streng und manchmal sehr rauh und direkt, was nicht immer so gut ankam.
1940 bezeichnete eine kanadische Zeitung sein Studio wegen der Trainingsgebühren von 10$ als „high-class exercise salon“ (Redfield 2011)
Pilates starb 1967 kurz vor seinem 84. Geburtstag an einem Lungenemphysem, das er sich wohl vom starken Zigarrenrauchen geholt hat.
Heute ist „Pilates“ kaum mehr aus unserem Wortschatz wegzudenken, sogar im Webster´s Lexikon wird der Begriff geführt. Seit 2001 gibt es die PMA Pilates Method Alliance, die den traditionellen Bestand bewahrt. 2006 wurde der Deutsche Pilates Verband gegründet (DPV e.V.) und 2007 veröffentlichte die PMA, dass weltweit 12 Millionen Menschen Pilates üben.
Toller Typ oder?
Ja Typ! Leider üben heute und hierzulande überwiegend Frauen Pilates. Ich frage mich wirklich so oft – wo sind die Männer? Viele Menschen, die davon zum ersten mal hören, denken oft, dass es sich um eine Art Entspannungsgymnastik handelt. Das stimmt zum Teil natürlich schon, jedoch ist es ein Workout, das ganz spezifisch den gesamten Körper trainiert und ausgleicht – es ist durchaus anstrengend. Jedoch ist es sehr schonend exakt und flexibel für verschiedene Leistungsstufen – was ich als Physiotherapeutin unglaublich wundervoll finde!! Dazu ein Zitat von Pilates: „Chance happens through movement and movement heals.“ – „Veränderung entsteht durch Bewegung und Bewegung heilt.“
Ich finde es an dieser Stelle wirklich wichtig zu betonen, dass es von einem Mann entwickelt wurde – also ihr lieben Männer, worauf wartet ihr? Joggen, Fußball spielen oder Dart könnt ihr doch trotzdem weiter machen – Pilates wird euch darin sogar noch unterstützen! In folgendem Video kannst du wunderbar sehen, wie fleißig und sportlich damals schon unter Männern trainiert wurde:
Lies mal, super spannend:
Hier der Artikel, der im Februar 1962 in der Sports Illustrated erschien: „Joe Pilates – Lernen, ein Tier zu sein.“ (Übersetzung aus dem Englischen von Reiner Grootenhuis) kannst du ganz unten am Ende meines Beitrages lesen. Quelle: www.pilates-powers.de
“Es gibt eine fröhliche Gruppe von Menschen, von der ich ein aufstrebendes Mitglied bin, die sich überall durch ihren federnden Schritt und “geretteten” Blick aus der Masse ihrer Zeitgenossen, die in unordentlicher Körperfülle um uns schlurfen und wackeln, auszeichnet. Wir wissen, dass wir gerettet sind, weil wir treu anstrengende, aber belebende Sitzungen in Joseph H. Pilates Universal Gymnasium auf der 8th Avenue im Zentrum von Manhattan besuchen.
Denn hier ist es, wo Joe Pilates, ein weißhaariger, rotwangiger Achtzigjähriger, seine Frau Clara und Hannah (die vor 25 Jahren zum Unterricht gekommen und dort geblieben ist) ihre strengen Kommandos blaffen, während wir uns durch die Übungen drehen und strecken und beschweren, die den Kern dessen bilden, was Joe mit seiner germanischen Vorliebe für wissenschaftliche Nomenklatur “Contrology” nennt.
Frag mich nicht, was Contrology ist. Frag Joe auch nicht, denn gründliche Erörterung gehört nicht zu seinen Talenten. Es hat etwas mit vernünftiger Anspannung und Entspannung der Muskeln zu tun, und es kommt von einer profunden Kenntnis der Körperkinetik, die vor einem Dreivierteljahrhundert begann, als Joe als Kind in Deutschland begann, seine Mitkinder beim Spielen und Tiere, die durch den Wald hüpfen, zu beobachten. Später, als er seinen Lebensunterhalt als Boxer und Zirkusakrobat verdiente, begann er eine Reihe von Übungen zu entwickeln, um sich nach einem anstrengenden Tag zu entspannen.
Die vollen Prinzipien der Kontrolle wurden ihm während des Ersten Weltkriegs offenbart. Sein Zirkus wurde auf Reisen in England erwischt, als der Krieg 1914 ausbrach, und Joe und alle anderen wurden in einem verlassenen Krankenhaus auf der Isle of Man interniert. Hier, wo sich Wochen über Monate und Jahre hinzogen, sah er seine Mitgefangenen in Apathie und Verzweiflung versinken, mit nichts anderem zu tun, als auf die nackten, bröckelnden Wände ihres Gefängnisses zu starren. Nichts, was die tägliche Eintönigkeit brechen würde, außer den unzureichenden Mahlzeiten (denn die deutsche U-Boot-Blockade ließ England langsam verhungern) und einem gelegentlichen Spaziergang über den leeren Hof, mit nichts zu sehen, außer gelegentlich einer hungernde Katze, die einer Maus oder einem Vogel nachjagt.
Es waren die Katzen, die ihn inspirierten. Denn obwohl sie nichts als Haut und Knochen waren – selbst die tierliebsten Gefangenen konnten ihnen kaum etwas von ihrer eigenen erbärmlichen Verpflegung entbehren, wenn ihre eigenen Kinder bettelten, gefüttert zu werden – waren sie geschmeidig und elastisch und äußerst leistungsfähig, wenn sie auf ihre Beute zielten. Warum waren die Katzen so gut in Form, so helläugig, während die Menschen jeden Tag blasser wurden, schwächere, apathische Kreaturen, die bereit waren aufzugeben, wenn sie sich erkältet hatten oder hinfielen und sich einen Knöchel verstauchten? Die Antwort fand Joe, als er begann, die Katzen aufmerksam zu beobachten und stundenlang ihre Bewegungen zu analysieren. Er sah sie, wenn sie nichts anderes zu tun hatten, die Beine ausstrecken, sich strecken, dehnen, strecken, die Muskeln locker und lebendig halten. Er begann eine geordnete Reihe von Übungen zu erarbeiten, um die menschlichen Muskeln, alle menschlichen Muskeln, zu dehnen. Er begann, diese Übungen den niedergeschlagenen Figuren um ihn herum vorzuführen, und da sie nichts anderes zu tun hatten, begannen sie auch mit den Übungen. Anfänglich unbeholfen und furchtsam, aber unter seiner Aufsicht wurden sie immer selbstbewusster, immer mehr hüpfend, wie Katzen. Sie beendeten den Krieg in besserer Verfassung als zu Beginn des Krieges, und als die große Grippeepidemie über alle Länder hinwegfegte, die im Krieg gekämpft hatten, kam keiner von ihnen zu Tode.
Einmal frei, kam er nach Amerika, weil das der Ort ist, wo man sein kann, wenn man eine neue Idee hat. Er entwarf und baute Maschinen für sorgfältig abgestufte Dehnungsübungen, er mietete ein Loft, er eröffnete sein Universal Gymnasium, ein Stück die Straße hinauf von Stillman’s Gym, einer Institution, die nach anderen Spezifikationen gebaut wurde. Nach und nach hat es sich herumgesprochen, und es begannen Menschen zu kommen, Menschen aus Berufen, die eine vollständige und präzise Kontrolle des ganzen Körpers verlangen, Balletttänzer, Opernsänger, Laurence Olivier, Yehudi Menuhin.
Als ich zu dieser Gruppe kam, begrüßte er mich, wie alle anderen auch. Er legte sich auf seinen 80-jährigen Rücken und befahl: “Tritt auf mich.” Ich zögerte. “Keine Angst”, sagte er, “Tritt drauf!”. Behutsam stellte ich ihm einen Fuß auf den Bauch, einen auf die Brust. “Du siehst,”, sagte er, “es ist einfach.”.
Später stand ich in den obligatorischen schwarzen Badehosen vor ihm und er steckte einen verächtlichen Finger in mein armes nacktes Fleisch.
”Typisch”, sagte er in klirrenden deutschen Klängen. “Wie alle anderen! Amerikaner! Sie wollen eine Geschwindigkeit von 600 Meilen pro Stunde und sie können nicht laufen! Sieh sie dir auf der Straße an. Nach vorne übergebeugt! Hustend! Junge Männer mit grauen Gesichtern! Warum können sie die Tiere nicht anschauen? Sieh dir eine Katze an. Sieh dir irgendein Tier an. Das einzige Tier, das seinen Bauch nicht einzieht, ist das Schwein. Sieh sie dir jetzt alle auf dem Bürgersteig an, wie Schweine.”
”Durch das Trainieren der Bauchmuskulatur wird der Körper ausgewrungen, man erkältet sich nicht, bekommt keinen Krebs, keinen Leistenbruch. Kriegen Tiere Leistenbrüche? Machen Tiere Diät? Iss, was du willst, trink, was du willst. Ich trinke einen Liter Schnaps pro Tag, dazu ein paar Biere und rauche vielleicht 15 Zigarren.”
”Und was machen Amerikaner? Sie spielen Golf, sie spielen Baseball, sie nutzen die Hälfte ihrer Muskeln, einen Viertel ihrer Muskeln. Sie werden fett, sie gehen joggen, sie machen verrückte Diäten, sie springen in verrückten Übungen auf und ab, sie haben schlechte Rücken, sie haben Bierbäuche, sie latschen, sie beschweren sich, sie haben Leistenbrüche.”
”Du willst also lernen, wie man es besser macht. Es ist alles hier oben, im Kopf. Leg dich auf die Matte. Nicht nach unten fallen, geh sanft runter, kreuze die Arme und Beine. Jetzt, Beine hoch! Nimm deine Knöchel! Natürlich kannst du sie nicht erreichen, kein Amerikaner kann das. In Ordnung, schnapp dir deine Waden. Mach sie zu deinen Knien. Strecke die Knie! Beuge dich nach vorne! Jetzt strecken! Nein, du musst zuerst denken! Denke!Hoch!”
Es kann Monate dauern, bis man genau lernt, welche strapazierte Gruppe von Muskeln und Sehnen das Objekt dieses “Hoch!” ist.
In der Zwischenzeit ist der Neuling immer unter den verächtlichen Augen oder ermutigenden Grunzen von jemandem, während er die verschiedenen Arten von ziehen, verdrehen, beugen, hocken lernt, von denen er sagt, dass sie 25 Prozent mehr Muskeln als Zirkus-Akrobatik und fünfzig oder fünfundsiebzig Prozent mehr als Baseball (pfui!) oder Golf (doppel-pfui!) verwenden. Kein Springen oder Laufen, welche das Herz unnötig belasten; tatsächlich wird fast alles flach auf dem Rücken oder Bauch liegend ausgeführt. Keine Gewichte (“Stämmen Tiere Gewichte?”), kein Bizeps Aufbauen – Joe interessiert sich mehr für Muskeln, die dich hochhalten, als für Muskeln, die dich einen anderen Kerl umhauen lassen.
Die Übungen sind abgestuft und haben skurrile Namen: Teaser, Forward Rocking, the Saw, the Hanging..
Von den Wänden der Turnhalle herunter schauend sind Gemälde, Fotographien Skulpturen von Joe, nackt oder mit Lendenschurz gekleidet: Speerfischen mit 56, den Luftgeist auf dem Fußboden des Nebraska Parlamentsgebäude darstellend mit 60, Skifahren mit 78. Es gibt auch Fotos mit bewundernden Referenzen (“Für den Besten”, “für den einen unsterblichen Joe” von angesehenen Ehemaligen und Fotos von Artikeln aus amerikanischen Zeitungen, die die Schrecken der amerikanischen Haltung dokumentieren. Durch schweiß-gefüllte Augen, wenn man auf einer Maschine auf dem Kopf steht, sieht man vielleicht einen berühmten Verleger oder Produzenten oder Moderator doppelt so verdreht auf einer anderen Maschine. Sie alle erhalten die volle Kraft der Pilates-Philosophie.
”Es ist die Steifheit. Du musst die Brust weiter öffnen, zwei Zoll mehr. Hoch! Nein! Mit diesem Muskel”, und deutet auf einen Vorsprung in der Mitte seines Riffs, der sich bei Dir oder mir nie zeigen wird – “gerade die Knie! Wohin gehst du – wie ein Elefant?”
”Oh Joe”, jammert eine berühmte Ballerina. “Jetzt nennst du mich einen Elefanten.”
”Ich würde den Elefanten nicht beleidigen. Ein Elefant könnte in diesen Raum kommen, und du würdest ihn nicht hören. Ein Elefant läuft zart. Aber du – trampel, trampel, trampel! Amerikaner! Baseballspieler! Jogger! Gewichtheber! Kein Wunder, dass sie mit Arthritis zu mir kommen! Geschwüre! Tiere haben keine Geschwüre! Tiere machen keine Diäten! Streck die Knie! Lass die Luft raus!”
Also vergehen Minuten – Corkscrew, the Jackknife, the Seal. Es ist nicht billig ($5 pro Sitzung, die etwa 45 Minuten dauert), aber wie Sie Ihre zwei oder drei Mal pro Woche gehen, werden die Wochen zu Monaten, und in die Beschimpfungen werden ein paar Gratulationen gestreut. Netterweise wird Clara deine neue Geschmeidigkeit bewundern, die schroffe Hannah wird sagen: “Nun, das wird auch Zeit.” Vielleicht ist dein Kopf etwas höher auf der Straße, über all den jungen grauen Gesichtern. Schmerzen und Zwicken verschwinden. Ein Tag kommt, an dem du deine Knöchel ordentlich in zwei Schlaufen, die von einer Stange dort oben herunterhängen, schwingen, deinen Körper dehnen, zwei Stangen fest in die Hand nehmen – und hochklettern kannst. Du erreichst den Gipfel mit Grunzen der Freude und jammerst plötzlich vor Angst: “Wie komme ich da runter?” “So wie du hochgekommen bist.” Und du kommst runter, Hand für Hand, mit Keuchen und Stöhnen und einem letzten Triumphschrei. In der Stille, die darauf folgt, brüllt Joe sein letztes Lob aus: ”Jetzt bist du ein Tier” ”
– Robert Wernick, Sports Illustrated, 12.02.1962 (Übersetzung Reiner Grootenhuis)