Was ist Pilates?

Das umfassende Ganzkörpertraining wurde von Joseph Hubertus Pilates Anfang des 20 Jahrhunderts entwickelt. Nachdem es für viele Profi-Sportler in und um New York beliebt wurde, hat es sich bis heute so sehr in der gesamten Welt etabliert und ist nicht mehr aus unserem Wortschatz wegzudenken. Ich vermute, dass der überwiegende Teil der europäischen und nordamerikanischen Zivilisation den “Begriff” Pilates zumindest einordnen kann. In diesem Blog Post möchte ich weniger auf Joseph H. Pilates selbst eingehen, dafür gibt es einen gesonderten Beitrag. Hier soll es eher um die Methode an sich gehen.

Die WHO hat 2020 für Erwachsene 20-40 Minuten Bewegung pro Tag empfohlen. Es ist auch in vielen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen, dass ein gezieltes Ganzkörpertraining extrem förderlich für die körperliche aber auch mentale Gesundheit ist. Das Thema Prävention wird ohne Ende immer relevanter in unserer Gesellschaft. Wir wollen alle gesund altern wenn wir bedenken, dass unsere Lebenserwartung stetig steigt. Eine hohe Lebensqualität im Alter lässt sich nur durch eine gute Life-Balance erreichen – hierzu steht regelmäßiges Training der Muskulatur neben einigen anderen Faktoren auf den ersten Rängen.
Pilates und seine stetige Anpassung an die Erkenntnisse der modernen Sportwissenschaft und Medizin ist ein hervorragende Grundlage moderner Prävention.

Bewegung ist nicht gleich Bewegung

Bewegung und Gesundheit stehen nicht immer in direktem Zusammenhang. Moderne Sportarten (Fußball, Cross Fit, Wettkampfsportarten,…) können oft einseitige Belastungen für den Körper sein und somit Defizite und Beschwerden verursachen. “Viel hilft viel” ist hier eher der falsche Ansatz.

Sicherlich haben alle Sportarten ihre Berechtigung und sind gewissermaßen förderlich für die Gesundheit – doch hier folgt die gleiche Devise wie bei Süßigkeiten: “Die Dosis macht das Gift.”

Ein “gesundes” Bewusstsein für Bewegung hat Pilates 1930 so empfohlen: Gesunde Ernährung, Sonne und frische Luft genießen, ausreichender Schlaf, regelmäßige Bewegung UND den Körper durch Sport zu formen. Und heute, über 90 Jahre später – was können wir daran kritisieren?
Die Unterscheidung zwischen Bewegung und Sport ist von großer Bedeutung: Gartenarbeit oder 20 min mit dem Rad zur Arbeit zu fahren sind Bewegung. Dennoch klagen viele bei ersterem über Rücken- oder Knieschmerzen und das Radfahren alleine sorgt nicht dafür, dass unsere Wirbelsäule umfassend geschützt und ihre Muskeln gestärkt werden.
Die Ausgaben unseres Gesundheitssystems für Rückenschmerzen pro Jahr belaufen sich auf 53 Milliarden Euro (Quelle: https://www.ikkev.de/politik/gkv-in-zahlen/rueckenschmerzen/).

Die Vorteile der Pilates Methode

Das, was sie von anderen Sport- und Gymnastikarten unterscheidet sind ganz bestimmte Grundprinzipien. Es bildet ein umfassendes Trainingskonzept, das sanfte und fließende Bewegungen mit einer ganz bestimmten zentrumsaktivierenden Atmung koppelt, die unter höchster Konzentration und Präzision ausgeführt werden. Sie beinhalten neben Kräftigung auch Dehnung – ein ausgewogenes Gleichgewicht dieser beiden Faktoren ist von größter Bedeutung. Der Körper wird von der Mitte aus gestärkt und stabilisiert, was Rückenschmerzen, Verspannungen und Verschleiß vorbeugt. Außerdem werden die Muskeln straffer, schlanker UND das Körperbewusstsein und Bewegungsgefühl verbessert sich.

Pilates Grundprinzipien

Atmung, Konzentration, Zentrierung, Kontrolle, Bewegungsfluss, Präzision

Atmung – Breathing

“Lerne vor allem anderen, richtig zu atmen”
Ich habe aufgehört mitzuzählen, wieviel Patienten mir täglich “gestanden”, dass sie eigentlich gar nicht wissen, wie man “richtig atmet”. Und Fakt ist: sobald wir Erwachsen werden und je älter wir werden, desto mehr verlieren wir oft von unserer natürlichen Intuition. Das Problem ist unser Intellekt – der uns in den meisten Situationen aber viele Vorteile verschafft. Sich an Regeln halten zu können und bestimmte Dinge zu “absolvieren” gibt uns Sicherheit und ein Gefühl von Dazugehören zur Gesellschaft. Doch “richtig atmen” kann jeder seit der Geburt, wir müssen dafür nicht erst eine Ausbildung, ein Studium oder einen Kurs machen. ABER durch unseren Alltag, der bei vielen Menschen sitzend in Innenräumen oder übermäßig mit bestimmten Bewegungen stattfindet, verwenden wir nur einen kleinen Teil unserer vollen Atemkapazität und Atemmöglichkeiten. Die spezielle Pilates-Atmung besteht aus einer tiefen Einatmung und kraftvollen langen Ausatmung, was die Lungenkapazität erhöht, das Blut vermehrt mit Sauerstoff anreichert. Die Ausatmung im Pilates aktiviert die Tiefenmuskulatur, die unseren Körper stützt und schützt. Eine bewusste Atmung wirkt zudem entspannend und belebend. Im Pilates ist jede Bewegungsabfolge ein bestimmtes Atemmuster zugeordnet. Klingt kompliziert? Probiere es aus und du wirst von Stunde zu Stunde deinen Körper und den Atem mehr kontrollieren lernen. Wer das Prinzip der Pilates Atmung verstanden hat und umsetzt, wird irgendwann beim Pilates überhaupt nicht mehr nachdenken müssen – bei mir ist es mittlerweile in “Fleisch und Blut” übergegangen. Dennoch ist mir bewusst, dass viele Menschen sich damit anfangs schwer tun, das beobachte ich oft. Doch durch richtige und exakte Anleitung der Trainerin bzw. des Trainers und Konzentration lernt man es wirklich schnell und bereichert dadurch sein Leben.

Konzentration – Concentration

“Der Geist bringt den Körper in Bewegung”
Die Verpflichtung, sich mit “Haut und Haaren” dem gesamten Körper zu widmen und sich voll auf die Muskeln zu konzentrieren, die mit der Übung gestärkt und gedehnt werden. So ist eine gesunde und sinnvolle Koordination des Körpers möglich, die uns geistig erfrischt und entspannt. In einer Welt, die uns ständig ablenken will mit Werbung, Instagram, Facebook, Youtube, wo wir die Arbeit, die Kinder, den Garten und den nächsten Urlaub managen wollen, fällt es uns oft schwer uns zu 100% auf eine Sache zu konzentrieren. Ich liebe Pilates auch deshalb, weil es die Chance bietet, die eigenen Konzentration wieder zu üben. Wir können diese Fähigkeit in allen Bereichen unseres Lebens gebrauchen.

Zentrierung

“Lass die Bewegung aus einer starken Mitte fließen”
Die Kräftigung unserer Mitte, also Bauch und Rücken sind elementare Bausteine des Pilates Trainings. Die Tiefenmuskulatur der Wirbelsäule, alle Bauchmuskeln, das Zwerchfell in Zusammenarbeit mit dem Beckenboden werden benutzt um eine gesunde Ganzkörperspannung aufzubauen, die die Basis für alle Übungen sind, die dann Arme, Beine und den Rumpf bewegen.
Aus therapeutischer Sicht ist dies absolut nicht wegzudenken, wenn es um Rückengesundheit aber auch Kraft und Stabilität geht. Wir profitieren davon überall: während der Arbeit am PC, während der Arbeit auf dem Bau, im Labor, als Lehrer*in, Verkäufer*in UND beim Yoga, Basketball/Fußball/Handball/… spielen, Joggen, Tanzen, Boxen, CrossFit und generall ALLEN Sportarten. Aber nicht zu vergessen ist auch unsere Gesundheit im Alter: Pilates schützt vor Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen, Schwäche des Beckenboden, Inkontinenz, Atemwegserkrankungen und vielen anderen Beschwerden.

Kontrolle – Contrology

Die Trainingsform, die der gute Joseph entwickelt hat, hat er selbst ursprünglich “contrology” genannt und meint damit die Kontrolle des Geistes über den Körper. Die Bewegungen sind exakt und müssen haarfein an die eigene körperliche Flexibiliät und Kraft angepasst werden – im Pilates wird nichts zufällig oder unbewusst bewegt. Auch wenn Bewegungen sehr einfach sind, haben sie doch eine saubere und präzise Ausführung. Diese anzuwenden ist wichtig, um den Körper nicht zu überlasten und damit zu schädigen. Man lernt die eigenen Belastungsgrenzen kennen und spüren, die sich von Tag zu Tag unterscheiden kann. Das Training lehrt uns also ein gesundes Körpergefühl zu entwickeln, von dem sehr viele Menschen ein großes Stück gebrauchen können – zumindest war das meine Erfahrung in der Arbeit als Physiotherapeutin. Sich bewegen können viele Menschen, doch WIE ist immer die Frage? Ich liebe die Arbeit als Therapeutin/Heilpraktikerin für PT/Personal Trainierin so sehr, weil man sich nochmal viel präziser mit den persönlichen Voraussetzungen beschäftigen kann und das Training so NOCH optimaler gestalten kann. Manchmal machen Milimeter einen gefühlten Unterschied einer 180° Wende.

Bewegungsfluss

Der Unterschied zu einigen anderen Trainingsmethoden sind die sanften und fließenden Bewegungen (was wir zwar auch aus dem Yoga kennen, jedoch gibt es zwischen Yoga und Pilates Welten Unterschiede!). Im Alltag führen wir auch eine Bewegung nach der anderen fließend ineinander übergehend aus und nicht abgehackt. Unser Atem ist hier immer federführend, er bestimmt das Tempo der Bewegung. Wir können die spezielle Atemtechnik im Pilates aber auch mal langsam und mal zügig ausführen, was dann auch EIN Faktor sein kann für die Intensität der Übung.

Präzision

Jeder Hinweis, der beim Pilates Training gegeben wird, hat einen ganz bestimmten Sinn und ist für eine gesunde Ausführung unerlässlich – alle Details sind wesentlich für den Effekt entscheidend. Die Übungen werden nur einige Male wiederholt, damit eine präzise Ausführung vor der Ermüdung der angesprochenen Muskulatur unsauber wird. Also Qualität vor Quantität – ein Grundsatz den du bestimmt auch in vielen anderen Lebensbereichen schätzt! Außerdem wirken sich die Übungen nicht nur auf unsere oberflächlichen “großen”, “groben” Muskeln, sondern vor allem auf unsere wichtige Stütz- und Tiefenmuskulatur aus.

Meine persönlichen Erfahrungen

Meine ersten Erfahrungen mit Pilates machte ich während meiner Zeit am Gymnasium durch DVDs – damals gab es noch kein Youtube, zumindest nicht in dem Maße wie heute. Ich war von Beginn an begeistert von der Präzision und Effektivität, da ich ein Mensch bin, der viel Wert auf Vollständigkeit legt – “wischiwaschi” ist nichts für mich. In meiner Ausbildung als Gymnastiklehrerin und Physiotherapeutin hatten wir regelmäßig Pilates Unterricht und absolvierten auch ein Pilates Instruktoren Zertifikat. Ich begann nach den Examina regelmäßig Pilates zu unterrichten und entschloss mich 2018 eine weitere Pilates Ausbildung an einer Akademie zu beginnen, mit der ich ein Zertifikat erhalte, das mich auch für den Unterricht von Präventionskursen qualifiziert, die die Zentrale Prüfstelle für Prävention ZPP bezuschusst. Ich machte als 2019 meinen Abschluss an der Pilates Academy in München, die ich sehr schätze und liebe für ihre Präzision. Die Prüfung war selbst für mich als Physiotherapeutin nicht einfach, ich durfte sehr viel lernen – dafür bin ich sehr sehr dankbar! Seither belege ich jährlich Workshops für unterschiedliche Pilates Themen – bisher Faszien Training, New Moves, Pränatal, Postnatal Pilates und bald auch Standing und Flow Pilates.

Wie du siehst, ist Pilates ein Übungsprogramm, das effektiv, genau und gesund ist! Wenn dich dieser Artikel begeistert hat, freue ich mich, dich beim Pilates Unterricht im Studio oder online zu sehen!

 

“Bewegung ist Leben.”

– Andrew Taylor Still, Begründer der Osteopathie